Mein Mädchen ward mir ungetreu,
Das machte mich zum Freudenhasser;
Da lief ich an ein fließend Wasser,
Das Wasser lief vor mir vorbei.
Da stand ich nun, verzweifelnd, stumm;
Im Kopfe war mir's wie betrunken,
Fast wär ich in den Strom gesunken,
Es ging die Welt mit mir herum.
Auf einmal hört ich was, das rief;
Ich wandte just dahin den Rücken;
Es war ein Stimmchen zum Entzücken:
"Nimm dich in Acht! der Fluss ist tief."
Da lief mir was durch's ganze Blut,
Ich seh', so ist's ein liebes Mädchen;
Ich fragte sie: "Wie heißt du?" - "Käthchen!"
"Oh schönes Käthchen! Du bist gut.
Du hältst vom Tode mich zurück,
Auf immer dank' ich dir mein Leben;
Allein das heißt mir wenig geben,
Nun sei auch meines Lebens Glück!"
Und dann klagt' ich ihr meine Not,
Sie schlug die Augen lieblich nieder;
Ich küsste sie und sie mich wieder,
Und - vor der Hand Nichts mehr von Tod!
Johann Wolfgang von Goethe, Dichter & Naturforscher